Permafrost-Forschungsprojekt Open-Air-Lab-Kitzsteinhorn
Im einzigartigen Open-Air-Lab Kitzsteinhorn wird seit über einem Jahrzehnt beobachtet, in den Berg gehorcht und Veränderungen nachgespürt, um wichtige Daten zu erhalten und eine sichere Zukunft zu gestalten.
Das „Anthropozän“, das Erdzeitalter des Menschen, ist geprägt von der Einwirkung des Menschen auf die Natur. Deren wichtigste Folge ist der Klimawandel und dieser ist im Hochgebirge bekanntlich besonders stark zu spüren. Seit 2010 untersuchen Wissenschaftler daher im Forschungsprojekt „Open-Air-Lab Kitzsteinhorn“ Veränderungen an der Oberfläche und im Untergrund. Und die in diesem Freiluftlabor gesammelten Informationen dienen den Gletscherbahnen Kaprun als wichtige Daten- und Entscheidungsgrundlage für die Zukunft.
Auf den Puls gefühlt
Der Gipfel des Kitzsteinhorns liegt inmitten der Permafrostregion. Das eisige Herz des Berges wird seit 2010 von Wissenschaftlern genauestens überwacht. Ingo Hartmeyer und Markus Keuschnig sind Geomorphologen und leiten gemeinsam die GEORESEARCH Forschungsgesellschaft. Unterstützt von der Paris-Lodron-Universität Salzburg und der Technischen Universität München sowie dem Max-Planck-Institut für Chemie begeben sich die Forscher in den Sommermonaten wöchentlich in die Permafrostregion, um über diverse Messstationen den Puls des Kitzsteinhorns zu fühlen. Das „Open Air Lab“ ist ein einzigartiges Freiluftlabor, so sind sich die beiden einig und erklären: „Das Kitzsteinhorn ist ein idealer Forschungsstandort. Der Gipfel steht frei wie eine Pyramide und bietet perfekte Bedingungen für die Untersuchung der Umwelteinflüsse. Die drei Flanken des Kitzsteinhorns verbinden zudem Naturschutz, Energiewirtschaft und touristische Nutzung, wenn wir an die direkte Nachbarschaft von Nationalpark Hohe Tauern, Kapruner Hochgebirgsstauseen und Gletscherbahnen Kaprun denken. Dadurch ist das Kitzsteinhorn für uns einer der facettenreichsten Berge in den Alpen. Zudem erleichtert unserem Team die moderne Infrastruktur den Zugang zu den Forschungsstellen im hochalpinen Bereich.“
Fieberthermometer im Berg
Seit 2010 werden also die Geländeoberfläche, der Untergrund und die Atmosphäre im Rahmen eines umfassenden Monitorings genauestens untersucht. Permanente Temperaturfühler stecken wie ein Fieberthermometer weit im Berginneren und melden dem Team Veränderungen. Ingo Hartmeyer erklärt: „Permafrost ist Klebstoff für die Berge. Er hält das Gestein zusammen wie Kitt. Steigt die Temperatur durch sommerliche Hitze und taut der Dauerfrostboden, kann dieser anfällig für Instabilität werden. Das Kitzsteinhorn ist einer von nur zwei Standorten in Österreich, an dem die Mächtigkeit der Auftauschicht überwacht wird.“ Bewegungen im Gestein werden aber auch an der Oberfläche mit Hilfe eines Laserscanners überwacht. Markus Keuschnig betont: „Das hier durchgeführte Steinschlagmonitoring ist wohl das weltweit umfangreichste im hochalpinen Bereich. Es zeigt sich insbesondere eine Aktivität in den Bereichen am Gletscherrand, die durch den Mächtigkeitsverlust des Schmiedingerkees freigelegt wurden. Neben der Felsstabilität und dem Permafrost ist natürlich auch der Gletscher selbst im Fokus unseres Monitorings. Durch Georadar und regelmäßige Drohnenflüge werden die Eisdicke und -fläche gemessen. Das Schmiedingerkees ist dadurch einer von wenigen Gletschern in ganz Österreich, dessen Volumen präzise bestimmt werden kann.“
Gewappnet für zukünftige Herausforderungen
Einzigartig ist in der Geomorphologie auch, dass ein Forschungsprojekt von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen getragen wird. Für Norbert Karlsböck war nach dem ursprünglichen Projekt-Ende im Jahr 2017 klar, dass die Forschungen langfristig fortgeführt werden sollten und so finanzieren die Gletscherbahnen seit 2017 das „Open Air Lab“ zur Gänze. Norbert Karlsböck erklärt: „Wir wissen, dass in den nächsten Jahren große Herausforderung auf die Hochgebirgsregionen zukommen werden. Durch die Langzeitmessungen in unserem Freiluftlabor erhalten wir eine solide Datengrundlage dank derer wir zukünftige Projekte besser planen können. Gerade sind wir dabei eine Art Frühwarnsystem mit drahtloser Übertragung der Messstellen zu einem zentralen Knotenpunkt zu erstellen. Dadurch kann man auf große Schwankungen rasch aufmerksam gemacht werden.“
Der Sommer ist die Hochzeit der Geomorphologen und so wird man sie bei einem Besuch am Kitzsteinhorn vielleicht bei ihrer Arbeit beobachten können. Wenn sie sich am Seil in die Randkluft ablassen, um dort ihre Messungen zu machen. Oder wenn sie mit Helm, Sicherungsgeschirr und Arbeitskleidung tiefe Löcher in den Berg bohren, um Temperaturmesser einzuführen. Manchmal sieht man sie bei Drohnenflügen die Gletscherfläche auf Hohlräume absuchen oder mit dem Laserscanner die Felswände beobachten. „Als Geomorphologe muss man durchaus geländegängig sein. Denn wir bewegen uns bei unserer Arbeit natürlich auch abseits vielbeschrittener Wege. Aber das liegt uns Wissenschaftlern ohnehin im Blut“, lachen die beiden Forscher. Trifft man Ingo Hartmeyer oder Markus Keuschnig bei ihren Begehungen am Kitzsteinhorn geben sie immer gern Auskunft über ihre Arbeit, wie sie erklären: „Neben der medialen Berichterstattung und Fachpublikationen gehört auch dies zu unserem Bildungsauftrag.“